Reihe CineGraph Buch
Manfred Behn (Redaktion):
Schwarzer Traum und weiße Sklavin. Deutsch-dänische Filmbeziehungen 1910-1930
München: edition text + kritik 1994
167 Seiten, 29 Abbildungen
DM 32,- / öS 234,- / sfr 29,50
ISBN 3-88377-483-9
Das Buch dokumentiert ein wichtiges Kapitel deutscher Filmgeschichte der Stummfilmzeit im europäischen Rahmen. Die Autoren stellen die große Bedeutung der dänischen Filmindustrie und dänischer Regisseure, Schauspieler und Kameraleute für die Entwicklung der deutschen Filmindustrie dar und untersuchen, welchen Einfluß sie auf die Herausbildung einer eigenen Filmsprache hatten.
Von herausragender Bedeutung für die frühe Geschichte des Stummfilms war die 1906 von Ole Olsen in Kopenhagen gegründete Nordisk Films Kompagnie. Der dänische Markt war klein; daher war es Olsens Strategie, Vertriebsfilialen im Ausland einzurichten. Schon 1906 wurde auch in Berlin eine Niederlassung eröffnet. 1911/12 war die dänische Firma nach Pathé Frères die zweitgrößte Filmgesellschaft Europas. In Deutschland was die Nordisk nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs über eine Tochtergesellschaft marktbeherrschend. Sie hatte eine vertikale Organisationsstruktur von Produktion, Verleih und Theaterbetrieb geschaffen, die so im deutschen Film noch nicht existriert hatte und als Vorbild für die Gründung der Ufa diente. (Die Ufa-Gründer kauften Olsen seine deutsche Tochterfirma 1917 ab, zu einer Zeit, als die Nordisk ihren Zenith bereits überschritten hatte.)
Das dänische Filmwesen profitierte davon, daß - im Unterschied zu Deutschland - die Vorbehalte bei den Theatern gegen das neue Medium weniger ausgeprägt waren, daß der Film als lohnende Kapitalanlage anerkannt wurde und daß die Zensur weniger streng war. Zu den Spezialitäten der frühen Nordisk gehörten erotische Dreieckskonflikte in verschiedenen sozialen Milieus, Zirkus- und Abenteuerfilme, Detektivserien und die in ganz Europa beliebten »Mädchenhändlerfilme«.
Doch innovative Kräfte wie Asta Nielsen, Benjamin Christensen, Carl-Theodor Dreyer und Axel Graatkjaer konnten ebensowenig dauerhaft an die Nordisk gebunden werden wie Viggo Larsen, Urban Gad, Alfred Lind und Olaf Fönss, die nach Deutschland gingen. Zunehmend vermittelte sich der Einfluß des dänischen auf den deutschen Film nicht mehr über einen mächtigen Apparat, sondern über einzelne Filmschaffende, die jedoch nicht alle ihre glückhaftesten Momente in Deutschland erleben durften (Asta Nielsen blieb bei allem Dissens mit der deutschen Filmindustrie die Ausnahme).
Inhalt
- Marguerite Engberg: Zwischen Kopenhagen und Berlin. Ein Überblick
- Peter Lähn: AFGRUNDEN und die deutsche Filmindustrie. Zur Entstehung des Monopolfilms
- Evelyn Hampicke: Vom Aufbau eines vertikalen Konzerns. Zu David Olivers Geschäften in der deutschen Filmbranche
- Jeanpaul Goergen: Neue Filme haben wir nicht erhalten. Die deutsche Filmpropaganda 1917/18 in Dänemark
- Sebastian Hesse: Geile Greisin und nordischer Galan. Der Detektivfilm der Nordisk
- Michael Esser: Fesselnde Unterhaltung. Mit weißen Sklavinnen zu neuen Ufern
- Jürgen Kasten: Weg von der eingefrorenen Leiblichkeit. Vom Kampf zwischen Sozialnorm und sinnlichen Instinkten
- Deniz Göztürk: ATLANTIS oder: Vom Sinken der Kultur. Die Nobilitierung des frühen Kinos im Autorenfilm
- Leonardo Quaresima: Wien - Kopenhagen - Wien. Schnitzlers »Liebelei« und die Nordisk
- Casper Tyberg: Schatten vom Meister. Benjamin Christensen in Deutschland
- Carl Nørrestedt: Kopenhagen - Berlin - Kopenhagen. Olaf Fønss (1882-1949)
- Heide Schlüpmann: Ohne Worte. Asta Nielsen als Erzählerin im Kinodrama
- Manfred Behn: Chronik, Kurzbiografien, Filmografie, Auswahlbibliografie
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