FilmMaterialien 9 - Victor Trivas.

Niemandsland

Aus dem Drehbuch

Von Victor Trivas

in: Berliner Tageblatt, Nr. 420, 6.9.1931


Geräusch der Schreibmaschine.

(Halbweit): Das Zimmer Browns. Eine Tischlampe beleuchtet den Raum. Brown sitzt am Tisch und tippt auf der Schreibmaschine. Der Tisch ist voll mit Zeitungen, Büchern und Schriftstücken. Im Hintergrund des Zimmers schläft die Frau in dem großen Bett. Neben ihr das Bettchen des Kindes.

(Halbnah): Frau Brown schläft im Bett. Ihre Hand ruht auf dem Rand des Kinderbettchens.

Zu dem Geräusch der Schreibmaschine kommt ein entferntes Alarmsignal hinzu. Schluß des Schreibmaschinengeräusches. (Halbnah): Brown sitzt am Tisch und tippt. Plötzlich unterbricht er das Schreiben. Er hört das Alarmsignal.

Alarmsignal. (Nah): Brown steht auf, besorgt sieht er auf die Schlafenden, dann macht er das Fenster auf und guckt hinaus.

Alarmsignal. (Nah): Das Fenster von außen. Brown sieht aus dem Fenster heraus. Er horcht, dann schließt er leise das Fenster und zieht die Gardinen zu.

Stille. (Totale): Pariser Landschaft in der Morgendämmerung.

Schritte, dann Alarmsignal. (Totale): Die einsame Straße. Umarmt gehen Charles und Madeleine. Plötzlich bleiben beide stehen, drehen sich um und horchen.

Alarmsignal. (Halbnah): Aus einem Mansardenfenster horcht besorgt der Neger.

Schritte, Pfeifen. (Überblendung.) Eine einsame Straße. Die Werkstatt des Tischlers. Köhler kommt angeheitert die Straße entlang, pfeift, bleibt bei seiner Tür stehen und holt aus der Tasche den Schlüssel. Plötzlich horcht er gespannt auf.

Alarmsignal, ganz laut. (Halbweit): Zwischen zwei Häuserkomplexen zeichnet sich gespenstisch gegen den blassen Himmel die Figur des Reiters mit dem Signalhorn ab. Neben ihm zwei bewaffnete Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett. (Langsame Abblendung.)

Alarmsignal und Stimmen:
»Krieg! Krieg! Krieg!« (Totale): Das Tor geht langsam auf (dadurch entsteht eine natürliche Aufblendung). Eine Schar von Jungen läuft auf die Straße mit Zeitungen hinaus.

Alarmsignal und Stimmen:
»Krieg! Krieg! Krieg!« (Nah): Die Jungen laufen auf den Apparat.

Alarmsignal und Stimmen:
»La guerre! La guerre!« (Nah): Ein französischer Zeitungsverkäufer umringt vom Publikum.

Alarmsignal und Stimmen:
»Krieg! Krieg!« (Nah): Ein Deutscher verkauft Zeitungen.

Alarmsignal und Stimmen:
»Guerra! Guerra!« (Nah): Ein Italiener verkauft Zeitungen.

Alarmsignal und Stimmen:
»War! War!« (Nah): Ein Engländer verkauft Zeitungen.

Alarmsignal und Stimmen:
»Woina! Woina!« (Nah - ganz groß): Ein Russe kauft eine Zeitung und entfaltet sie. Der Apparat fährt näher an die Zeitung, so daß die da gedruckte Kriegserklärung das Bild ausfüllt. Man sieht das russische Wappen und die erste Zeile des Manifestes.

Stimme:
»Boschieju milosiju My Nikolai II. Imperator i Samoderschez Wserossiiskii, Zar Polsky Welikii Knjas Finljandskii i protschaja, i. pr. Objawljaem wsem Naschim poddannym Sleduja istoritscheskim swoim sawetam, Rossija, edinaja po were i krowi so Slawjanskimi narodami, nikogda ne wsirali na ich sudjbu besutschastno.« (Ganz groß): Das russische Kaiserwappen. Die erste Zeile der Kriegserklärung: »Wir, Nikolaus der II., usw., usw.«

(Totale): Der endlose Acker. Der russische Bauer führt den Pflug. Ein altes Pferd zieht mit Mühe das schwere Gerät.

(Langsam überblenden. - Aus der Überblendung.)

(Halbweit): Mitten in dem leeren Feld mit Unkraut bewachsen liegt, auf die Seite gekippt, der Pflug, ohne Mann und Pferd. Alle Metallteile sind verrostet.

Stimme:
»Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit...« (Ganz groß): Das deutsche Wappen. Die erste Zeile der Kriegserklärung: »An das deutsche Volk.«

(Halbnah): Vitrine einer großen Bäckerei mit verschiedenen Brotsorten, Kuchen und Torten.

(Langsam überblenden.)

Schluß der deutschen Kriegserklärung. (Totale - aus der Überblendung): Dieselbe Vitrine leer und zur Hälfte mit Brettern vernagelt.

Stimme:
»La France, qui a toujours affirmé ses volontés pacifiques, qui dans les jours tragiques, donné à l'Europe conseils de modération et un vivant exemple de sagesse qui a multiplié ses efforts pour maintenir la paix du monde...« (Ganz groß): Das französische Wappen mit den ersten Worten der Kriegserklärung: »A la Nation Française.«

(Totale): Eine französische Fabrik mit einem rauchenden Schornstein. Hochbetrieb.

(Langsam überblenden.)

(Totale - aus der Überblendung): Dieselbe Fabrik ohne Rauch und Leben. Das Tor ist geschlossen.

Stimme:
»Es war Mir ein sehnlicher Wunsch durch Jahre Mich den Mir von Gottes Gnaden beschiedenen Werken des Friedens zu weihen. Meine Völker von den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren...«

(Ganz groß): Das österreichisch-ungarische Wappen mit den ersten Worten der Kriegserklärung: »An Meine Völker.«

(Halbweit): Eine große Maschine in Bewegung.

(Langsam überblenden.)

(Halbweit - aus der Überblendung): Dieselbe Maschine steht still.

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