Alliierte für den Film

16. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 19. - 23. November 2003.

Die Filme


[Ankündigung] [Gesamtprogramm] [Vorträge] 

DIE SKLAVENKÖNIGIN (AT 1924), ca. 85 min.

R: Michael Kertesz

D: Maria Corda, Adelqui Millar, Adolf Weisse

Der frühe Monumentalfilm von Michael Kertesz, der später in Hollywood als Michael Curtiz Welterfolge wie ROBIN HOOD, DER KÖNIG DER VAGABUNDEN und CASABLANCA inszenierte, erzählt die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten. Dabei bildet der biblische Kontext die Rahmenhandlung für die tragische Liebesgeschichte zwischen der jüdischen Sklavin Merapi (Maria Corda) und dem Sohn des Pharao Seti (Adelqui Millar). Michael Kertesz' aufwendiger Stummfilm gehört zu jenen opulent ausgestatteten Epen, die dem Regisseur wenige Jahre später die Türen Hollywoods öffnen sollten.

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DER WEISSE TEUFEL (D 1929/30), 110 Min. (Tonfassung)

R: Alexander Wolkow

D: Iwan Mosjukin, Acho Chakatouny, Betty Amann

Die prunkvolle Tolstoi-Verfilmung spielt um 1850, zur Zeit des russischen Kaukasuskrieges. Nach einem Angriff russischer Truppen auf ein Dorf der Kaukasier kann der Heerführer Hadschi Murat die Russen vernichtend schlagen. Seinem neidischen Rivalen Schamil gelingt es jedoch, die Bevölkerung gegen ihn aufzuhetzen und Murat in russische Dienste zu treiben. Am Zarenhof trifft dieser seine geliebte Saira (Amann) wieder, die als Balllettänzerin im Hoftheater die Aufmerksamkeit des Zaren Nikolaj I. geweckt hat. Amouröse Verwicklungen, Rache und Krieg sind die Eckpfeiler dieses großzügig ausgestatteten Abenteuerfilms.

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DIE SINGENDE STADT (D/GB 1930), 100 Min.

R: Carmine Gallone

D: Jan Kiepura, Brigitte Helm, Georg Alexander, Trude Berliner

Mit diesem Film etablierte sich Ausnahmesänger Jan Kiepura als europäischer Star des Musikfilms. Als Fremdenführer Giovanni gerät er in Neapel an die ebenso wohlhabende wie attraktive Wiener Witwe Claire (Helm). Verführt von der Lebedame verlässt Giovanni die Heimat Capri sowie Jugendliebe Carmela, um in Wien eine Gesangskarriere zu beginnen. Liebeskummer und Heimweh sind die unvermeidlichen Folgen in dieser prächtigen Herzschmerz-Revue, in der Kiepuras Tenorstimme mit "La donna e mobile" und anderen Erfolgsweisen auch den Siegeszug des Tonfilms in Europa besingt.

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3 TAGE MITTELARREST (D 1930), 92 Min.

R: Carl Boese

D: Fritz Schulz, Felix Bressart, Lucie Englisch, Max Adalbert, Ida Wüst

Keineswegs zur Wehrertüchtigung geeignet ist Carl Boeses prominent besetzte Posse, die den preussischen Militarismus als Lachnummer inszeniert: In der Garnisonsstadt Flowinkel geraten Bürgermeister Hoffmann und Batallionskommandeur von Faber ständig aneinander – nicht zuletzt weil die wenig stolzen Soldaten mehr Zeit auf Brautschau denn aufs Exerzieren verwenden. Spätestens als Hoffmanns Hausmädchen Auguste von einem unbekannten Soldaten ein Kind erwartet, eskaliert die Situation zwischen Wirtshaus und Kasernenhof. Als einer der größten Publikumserfolge des Jahres 1930 verzichtet der Film wohltuend auf derbe Deutschtümelei, sondern besticht vielmehr durch wahrhaft entwaffnenden Humor.


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DANTON (D 1930/31), 90 Min.

R: Hans Behrendt

D: Fritz Kortner, Lucie Mannheim, Gustaf Gründgens, Alexander Granach

Über dieses Revolutions-Drama mit Gustav Gründgens als Robespierre und Alexander Granach als Jean Paul Marat schrieb Siegfried Kracauer 1931: "Kortner als Danton: ein Volkstribun, der durch die Gewalt der Rede so hinzureißen vermag, daß man den Jubel der Anhänger glaubt. Fast spricht er schon über die Leinwand hinaus – eine runde Gestalt, die nicht aus Begriffen entsprungen ist, sondern rein durch ihr Dasein überzeugt. Gutmütigkeit, Liebesbedürfnis, Härte und Überdruß mischen sich unzertrennlich, und ein besonnener Kunstverstand waltet über der ganzen Figur."

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DER BRAVE SÜNDER (DE 1931), ca. 108 Min.

R: Fritz Kortner

D: Max Pallenberg, Heinz Rühmann, Dolly Haas, Rosie Pointdexter

Fritz Kortners Regiedebüt über die Abenteuer des Oberkassierers Leopold Pichler gehört zu den vergessenen Perlen deutscher Filmkomödien. Der populäre Bühnenkomiker Max Pallenberg brilliert als Pichler, den es aus seinem Spießbürger-Idyll nicht nur auf die vermeintlich schiefe Bahn, sondern ebenso unversehens in eine mondäne Wiener Nachtbar an die Seite der schwarzen Jazz-Tänzerin Kitty verschlägt. Als Pallenbergs ungleicher Begleiter amüsiert der junge Heinz Rühmann, der hier sein komisches Potential noch ohne den notorischen Rühmann-Tonfall unter Beweis stellt.

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BERLIN ALEXANDERPLATZ. DIE GESCHICHTE VON FRANZ BIBERKOPF
(D 1931), 90 Min.

R: Phil Jutzi

D: Heinrich George, Maria Bard, Bernhard Minetti, Margarete Schlegel

Alfred Döblin wirkte selbst am Drehbuch dieser berühmten ersten Verfilmung seines gleichnamigen Romans mit – Regisseur Phil Jutzi hatte zuvor den proletarischen Klassiker MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK inszeniert. Heinrich Georges Darstellung des verzweifelt ums Überleben kämpfenden Ex-Sträflings Franz Biberkopf gilt bis heute als unerreicht: "Die berührende Verkörperung der Hauptfigur durch George, Jutzis inspirierte Bild- und Geräuschmontagen sowie die atmosphärische Dichte, die sich aus der genau beobachtenden Hinterhofszenerie ergibt, sind die Stärken des Films."("Filmkritik")


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EIN LIED FÜR DICH (D 1932/33), 85 Min.

R: Joe May

D: Jan Kiepura, Jenny Jugo, Ida Wüst, Ralph Kemp, Paul Hörbiger

Jan Kiepura gibt in dieser musikalischen Komödie einen berühmten italienischen Opern-Tenor, der sich während einer Probe an der Wiener Staatsoper in ein "Wiener Mädel" (Jenny Jugo) verliebt. Diese nimmt die Einladung in sein Separée zwar nur an, um für ihren Verlobten, einen Kaffeehausmusiker, eine Empfehlung zu erwirken, Doch Kiepura lässt bis zum Happy-End in seiner Traumvilla am Mittelmeer nichts unversucht – inklusive eines aberwitzigen Auftritts in einer Badeanstalt mit Sprungturm-Bühne und schwimmendem Publikum.


DIE ENGLISCHE HEIRAT (D 1934), 95 Min.

R: Reinhold Schünzel

D: Adele Sandrock, Renate Müller, Adolf Wohlbrück, Georg Alexander, Hilde Hildebrand

Reinhold Schünzels zu Unrecht vergessene, rasante Gesellschaftskomödie führt Renate Müller als selbstbewußte Berliner Fahrlehrerin Gerte Winter auf einen uralten englischen Familiensitz. Dort getraut sich der verwöhnte Aristokrat Douglas Mavis nicht, seiner herrischen Großmutter seine heimliche Heirat in Berlin zu beichten. Entsprechende Verwirrungen folgen, als die verheimlichte Gattin Gerte just in dem Augenblick erscheint, als Duckmäuser Mavis mit einer englischen Adelstochter verkuppelt wird und außerdem die verruchte Barsängerin Bella Amery Ansprüche anmeldet. Aber zum Glück ist Gerte patent, die Familie der Mavis spleenig und der einmalige Adolf Wohlbrück als deren galanter Anwalt in der Nähe.


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HAFEN IM NEBEL (FR 1938), 90 MIN. DF
(QUAIS DES BRUMES)

R: Marcel Carné

D: Jean Gabin, Michèle Morgan, Michel Simon, Pierre Brasseur

In Marcel Carnés Klassiker spielt Jean Gabin einen desertierten Soldaten, der von Le Havre aus ins Ausland zu fliehen versucht. In einer Hafenkneipe trifft er Nelly, verliebt sich in sie und wird in einen Streit zwischen ihrem Vormund und dem aufdringlichen Verehrer Lucien hineingezogen. Ein Mord lässt die Ereignisse eskalieren und macht Le Havre zur wunderschön tristen Bühne einer Geschichte um Liebe und Verrat in einer ungerechten Welt. Wie sagt Jean Gabin zu Anfang des Films: "Das Leben ist eine Gemeinheit!"

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WUNSCHKONZERT (D, 1940), 105 Min.

R: Eduard von Borsody

D: Ilse Werner, Carl Raddatz, Heinz Goedecke, Paul Hörbiger

Der heitere Weg zur Bindung unterm Hakenkreuz: In Eduard von Borsodys propagandistischen Unterhaltungsfilm wird die Sendung "Wunschkonzert"des "Großdeutschen Rundfunks" zum Einheit stiftenden Programm. Ein nach der Olympiade 1936 geheim nach Spanien abkommandierter Luftwaffenoffizier und eine in ihn verliebte Berlin-Besucherin finden sich nach Jahren durch den "Volksempfänger" wieder. Stars wie Heinz Rühmann, Paul Hörbiger und Marika Röck sorgen hier nicht nur für gute (Kriegs-) Laune, sondern auch für den völkischen Zusammenhalt. WUNSCHKONZERT erhielt sämtliche Prädikate der Reichsfilmkammer und wurde nach 1945 von der alliierten Militärregierung verboten.

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SECHS TAGE HEIMATURLAUB (DE 1941), 100 MIN.

R: Jürgen von Alten

D: Gustav Fröhlich, Maria Andergast, Hilde Sessak, Käthe Haack

Der Krieg als sonnige Kontaktbörse: Unteroffizier Holt erhält ein Frontpäckchen von einer unbekannten jungen Frau, ein reger Briefwechsel beginnt. Während seines Heimaturlaubs will er die verehrte Absenderin ausführen, doch die hat ihm ein falsches Foto geschickt – was natürlich zu zahlreichen romantischen Missverständnissen führt. Jürgen von Altens Propaganda-Romanze ist vor allem eine verlogene Ode an das System: Die Teller sind immer randvoll, an der Front wird allenfalls musiziert und in der heilen Heimat wartet immer ein Mädchen.


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HANGMEN ALSO DIE! (USA 1942), 140 Min. OF
(AUCH HENKER STERBEN)

R: Fritz Lang

D: Brian Donlevy, Anna Lee, Hans Heinrich von Twardowski, Alexander Granach

Langs berühmter Thriller über die Ermordung von Hitlers "Reichsprotektor" Heydrich in Prag entstand nach einer Vorlage von Bertolt Brecht und mit der Musik von Hanns Eisler. Er gehört zu den wenigen Versuchen deutscher Emigranten, im Ausland Filme gegen Nazi-Deutschland zu drehen, und handelt von den Folgen der Ermordung Heydrichs durch den tschechischen Widerstandskämpfer Dr. Svoboda. Fritz Lang verknüpft Svobodas Liebe zu Mascha Novotny, seine Flucht, die Geiselnahmen durch die Gestapo und den Kampf für deren Freilassung zu einem antifaschistischen Meisterwerk.


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DER VERLORENE (D, 1950/51), 100 Min.

R: Peter Lorre

D: Peter Lorre, Karl John, Eva-Ingeborg Scholz, Renate Mannhardt, Gisela Trowe

Die in Hamburg gedrehte Verfilmung seines eigenen Romans blieb die einzige Regiearbeit Peter Lorres: Im Jahr 1943 wird der bekannte Arzt Dr. Rothe (Lorre) wegen kriegswichtiger Forschungsarbeiten von der Gestapo daran gehindert, den Totschlag an seiner Braut zu sühnen, den er im Affekt beging. Von nun an leidet er unter Zwangsvorstellungen und tötet ein zweites Mal. Die Vergangenheit fordert endgültig ihren Tribut, als sich Rothe und sein Ex-Kollege Hoesch nach dem Zusammenbruch Nazideutschlands unter falschem Namen in Hamburg wieder begegnen.

Erst im Laufe der Jahre erfuhr der zur Zeit der Uraufführung weithin verkannte Film seine verdiente Würdigung als ein Meilenstein des deutschen Nachkriegskinos.

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 31-Okt-2003