CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film

Detlev Buck - Regisseur, Schauspieler

Biografie

siehe auch: Filmografie

Detlev Buck wird am 1. Dezember 1962 in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) geboren. Er wächst auf dem Bauernhof seiner Eltern Herbert und Ingrid Buck, geb. Freiherrin von Steinbeck, in Nienwohld bei Hamburg auf. Nach dem Abitur in Bargteheide und dem Zivildienst in den Alsterdorfer Anstalten in Hamburg absolviert er eine Lehre als Landwirt in Schleswig-Holstein und ein praktisches Jahr auf dem Loock-Hof von Sickertshofen bei Dachau. Zur selben Zeit bewirbt er sich an einer hamburger Schauspielschule, besteht die Aufnahmeprüfung jedoch nicht.

Sein erste Verbindung zur Filmszene kommt durch die Bekanntschaft mit dem Kameramann Wolfgang Fischer zustande, für dessen nie öffentlich gezeigten Spielfilm WAS SEIN MUSS, MUSS SEIN er 1982 vor der Kamera steht. In dieser Realsatire auf eine Betriebsprüfung spielt Buck die Rolle des geplagten Unternehmers. 1984, noch während seiner Lehrzeit, dreht er den 5-minütigen Film DER FÄNGER IM ROGGEN (über dessen Verbleib sich ebensowenig Angaben machen lassen wie über weitere Mitwirkende und Inhalt) und ERST DIE ARBEIT UND DANN!?, der zum Teil mit Fördergeldern (60.000 Mark vom Hamburger Filmbüro und dem Kuratorium Junger Deutscher Film), zum Teil von der neu gegründeten Produktionsfirma Cult-Film (20.000 Mark) finanziert wird.

Erst die Arbeit und dann!? (1984)

Bucks bäuerliche Herkunft bildet nicht nur den Hintergrund für seine ersten Filme, sondern liefert auch den Stoff für die immer wieder zitierten Anekdoten über den "Weg vom Bauernhof ins Kino" (Stock, 1993). In ERST DIE ARBEIT UND DANN!?, bei dem Buck auch die Hauptrolle übernimmt, sind autobiografische Bezüge offensichtlich. Der Film handelt von einem holsteinischen Jungbauern, der feierabends vom elterlichen Hof in die Szene-Kneipen Hamburgs aufbricht. Durch die Konfrontation von Stallgeruch und Schickeria entsteht eine Komik, die nicht auf Kosten des unbedarften Protagonisten geht, der zuguterletzt bei einer coolen Szenefrau reüssiert.

Der von Kritik und Publikum positiv bewertete Film verhilft Buck zur Aufnahme an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, wo er von 1985 bis 1989 studiert. Einige der zahlreichen Kurzfilme, die dort in den Jahren 1986-88 entstehen, schaffen später den Weg ins Kino oder Fernsehen, u.a. EINE ROLLE DUSCHEN, NORMAL BITTE, SCHWARZBUNT MÄRCHEN. An der Filmhochschule beginnt auch die in den folgenden Filmen fortgesetzte Zusammenarbeit mit Hans Erich Viet und dem Kameramann Roger Heeremann.

Der aus einem von István Szabó geleiteten Seminar über 'Grenzen' hervorgegangene Film SCHWARZBUNT MÄRCHEN (1988) beschreibt die frühjährliche Befreiung der Kühe aus dem Stall. Dieses Motiv der Grenzüberschreitung, das bereits für seinen Erstlingsfilm zentral war, greift Buck auch in seiner Abschlußarbeit an der DFFB, HOPNICK (1989/90), auf. Der Film erzählt vom Auf- und Ausbruch aus dem alltäglichen Arbeitstrott und ist quasi das berliner Gegenstück zu den Geschichten aus der norddeutschen Tiefebene. Ein Zöllner "zu der Zeit 'als die Zonis noch eingezäunt waren' (Buck)" fährt nach der abgesessenen Arbeitszeit im Kontrollhäuschen nach Kreuzberg, um sich zu amüsieren.

Karniggels (1990)

Gemeinsam mit Claus Boje, Gesellschafter des Delphi-Kinos und Geschäftsführer des Delphi-Filmverleihs, gründet Buck 1991 die Boje-Buck Filmproduktion GbR in Berlin, die im gleichen Jahr seinen ersten langen Spielfilm KARNIGGELS produziert und als Boje-Buck Produktion GmbH (ab 1992) seine weiteren Spielfilme herstellt. In KARNIGGELS kommt der junge Polizist Köppe (Michael Lade) nach Abschluß der Polizeischule nicht wie erhofft in die Großstadt, sondern in die Provinz Schleswig-Holsteins, wo er auf einen Kuhmörder angesetzt wird. Die Kritik sieht die Stärke des Regisseurs in der "knochentrockenen Situationskomik" (Körte, 1991) und dem aufmerksamen Blick auf den Alltag seiner holsteinischen Protagonisten.

WIR KÖNNEN AUCH ANDERS (1992), der mit einem Filmband in Silber ausgezeichnet wird, "ist eine deutsch-deutsche Odyssee: drei Männer auf dem Flachland im langsamsten Roadmovie der Filmgeschichte" (Peitz, 1993). Ein Brüderpaar, das keine Straßenschilder lesen kann - ein Kunstgriff, da erst ihr Analphabetismus das deutsche Roadmovie garantiert - und ein desertierter Rotarmist fahren auf der Suche nach einem geerbten Haus durch Ostdeutschland. Die Handlung dient als Vehikel für die liebevolle Charakterzeichnung, die in einer Fülle von teils grotesken, teils realistischen Episoden vorgenommen wird.

Bucks dritter langer Spielfilm, MÄNNERPENSION (1995), avanciert zu einem der erfolgreichsten deutschen Kinofilme der 90er Jahre. Im Zentrum des Films stehen zwei hartgesottene Gefängnisinsassen (Til Schweiger und Buck), die im Rahmen eines ungewöhnlichen Resozialisierungsprogramms von Frauen aus dem Gefängnis geholt und zur Liebe bekehrt werden. In der Figurenzeichnung weicht Buck von seinen bisherigen Filmhelden nicht ab: sympathische Verlierertypen, die zwischen Schwachsinn und Tiefsinn, Brutalität und Zärtlichkeit changieren. Dagegen arbeitet Buck zum ersten Mal mit einem international renommierten Kameramann (Slawomir Idziak) und mit bereits etablierten deutschen "Stars" (Til Schweiger, Heike Makatsch). Diesem neuen Status trägt er Rechnung, indem er sich in Anlehnung an Griffith fortan D. W. Buck nennen läßt.

Trotz seiner plakativen Abgrenzung von der Selbstbezogenheit der vorhergehenden Generation deutscher Filmmacher (Buck: "Keine Analysen!") übernimmt er ihr Modell der größtmöglichen Kontrolle über seine Stoffe: Er schreibt gemeinsam mit wechselnden Co-Autoren das Drehbuch, produziert mit seiner eigenen Firma und spielt selber Rollen unterschiedlicher Größe. Neben der Arbeit an seinen eigenen Filmen tritt Buck auch in Filmen von Kollegen auf, u.a. bei Wolfgang Becker, Maris Pfeiffer und Reinhard Münster. Er inszeniert zahlreiche Werbespots (u.a. für Biere, Radiosender, Schnellrestaurants und Fertighäuser), führt 1993 Regie bei zwei Video-Clips für Die Ärzte ("Mach die Augen zu" und "Schrei nach Liebe") und dreht für ARD/arte im Rahmen einer Erotikreihe einen 30minütigen Beitrag.

Detlev Buck, Vater der 1986 geborenen Bernadette Sophie, lebt in Berlin-Moabit und auf dem elterlichen Hof in Nienwohld, Schleswig-Holstein.

Ariane Heimbach, Malte Hagener


Auszeichnungen

  • 1985 Hamburger Kinotage: Publikumspreis für ERST DIE ARBEIT UND DANN!?
  • 1986 Filmwoche Mannheim: Großer Kulturpreis für ERST DIE ARBEIT UND DANN!?
  • 1987 Kodak-Nachwuchspreis für EINE ROLLE DUSCHEN.
  • 1989 8. Trossinger Filmtage: 3. Preis an Detlev Buck, Roger Heeremann und Marc Lingk für SCHWARZBUNT MÄRCHEN.
  • 1990 Otto Sprenger Preis für ERST DIE ARBEIT UND DANN!? und HOPNICK.
  • 1992 Bayerischer Filmpreis: Nachwuchsregiepreis für KARNIGGELS.
  • 1992 Preis der deutschen Filmkritik (Sparte Spielfilm) für KARNIGGELS.
  • 1993 IFF Berlin: Lobende Erwähnung der Jury für WIR KÖNNEN AUCH ANDERS.
  • 1993 Leserpreis der Berliner Morgenpost für WIR KÖNNEN AUCH ANDERS.
  • 1993 Deutscher Filmpreis: Filmband in Silber für WIR KÖNNEN AUCH ANDERS; Filmband in Gold für das Drehbuch (Detlev Buck, Ernst Kahl) von WIR KÖNNEN AUCH ANDERS.
  • 1994 Goldene Filmspule.
  • 1995 Internationale Filmtage Hof: Filmpreis der Stadt Hof.
  • 1996 Deutscher Filmpreis: Nominierung für MÄNNERPENSION.

Literatur

  • Kühe und Curaçao. In: Der Spiegel, Nr. 10, 4.3.1985.
  • Claudius Seidl: Ackerbau und Sehnsucht. In: Süddeutsche Zeitung, 7.12.1985.
  • Christiane Peitz: Hält das? Das hält. In: Die tageszeitung, 23.8.1990.
  • Peter Lau: "... wie der nicht aufgibt." In: Die tageszeitung, 31.10.1991. (Interview).
  • Peter Buchka: Heimtückischer Angriff auf die Ordnung der Dinge. In: Süddeutsche Zeitung, 15.11.1991.
  • Peter Körte: Ein Hoch aus dem Norden. In: Frankfurter Rundschau, 14.11.1991.
  • Christiane Peitz: Das hätte nicht nötig getan. In: Die tageszeitung, 20.2.1993.
  • Ulrich Stock: Der Versuch, Detlev Buck zu werden. In: Die Zeit, 2.4.1993.
  • Michael Sennhauser: Wir können auch anders. In: Film-Bulletin Nr. 186. Mai 1993, 37-40.
  • Michael Sennhauser: "Drehbücher nicht alleine schreiben, um Gottes Willen" In: Film-Bulletin Nr. 186. Mai 1993, 41-44. (Interview).
  • Ernst Kahl: Wir können auch anders....: ein Film von Detlev Buck; eine Boje Buck Produktion. Kiel: Semmel Verlach 1993, 128 S.
  • Detlev Buck. In: Edgar Reitz: Bilder in Bewegung. Essays. Gespräche zum Ki-no. Reinbek: Rowohlt 1995, (rororo 9997), S. 40-44.
  • Helge Hopp: Der Bauernschlaue. In: Die Woche, 26.1.1996.
  • Christiane Peitz: Die Sieger. In: Die Zeit, 9.2.1996.
  • Michael Töteberg: Erfüllung im Hühnerstall. In: Das Sonntagsblatt, 2.2.1996.
  • Margret Köhler: Ein Hauch von Anarchie. In: Film-Dienst 3/96, 12-13. (Interview).

Filmografie