CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film.

Maly Delschaft - Schauspielerin 

Biografie

Martha Amalia Delschaft, geboren am 4. Dezember 1898 in Hamburg, Tochter des Stukkateurs Hermann Friedrich Julius Delschaft und seiner Frau Ida Caroline Christine Delschaft, geb. Hillermann. Sie wächst mit einem älteren Bruder, der nach dem Ersten Weltkrieg als Musiker in New York lebt, sowie einer jüngeren Schwester in Hamburg auf. Auf Vermittlung ihrer Mutter, die sich gelegentlich im Laienspiel übt, spielt sie am Thalia-Theater ihre erste Rolle: Serescha, den Sohn der "Anna Karenina" (EA: 24.10.1907, Regie: Paul Flashar). Leopold Jessner, Regisseur des Hauses, rät ihr daraufhin, Schauspielerin zu werden. In der Schule ist sie bald als Gedichtrezitatorin beliebt. Im Kino wird Asta Nielsen ihr schauspielerisches Vorbild, das sie in vielen Zeichnungen während des Zeichenunterrichts verewigt.
Nach erfolgreicher Prüfung ihrer Begabung durch den Schauspieler Robert Nhil erhält sie 1916/17 Unterricht bei Carl Wagner in klassischen und bei Franz Kreidemann in modernen Rollen (beide Deutsches Schauspielhaus Hamburg). Ende 1916 engagiert sie Hofrat Julius Otto für die Jahre 1917-19 an das Bremer Stadttheater. Nach Übernahmen und Nebenrollen erhält sie im November 1917 mit der Luise in "Kabale und Liebe" ihre erste Hauptrolle. Maly Delschaft spielt in Bremen ca. 40 Rollen, darunter "Preziosa" (21.9.1918), Lieschen und Gretchen ("Faust I", 14.1.1919), Erichtho ("Faust II", 17.1.1919). 
Zur Spielzeit 1919/20 wechselt sie an die Vereinigten Theater Breslau (Lobe- und Thaliatheater) unter der Intendanz von Richard Gorter, der sich um die neuere Dramatik bemüht. Hier spielt sie Frau Motes in Hauptmanns "Der Biberpelz" (29.8.1919), Ina Müller in Wedekinds "Frühlings Erwachen" (12.12.1919), Delfine in Bahrs "Das Konzert" (2.2.1920), Anna in Johsts "Der Einsame" (29.2.1920) sowie Thekla in Schillers "Wallenstein" (1.11.1920). 
Die Meinhard-Bernauerschen Bühnen (Berliner Theater, Komödienhaus am Schiffbauerdamm, Theater in der Königgrätzer Straße) engagieren sie - unter Zahlung einer Konventionalstrafe (ca. 8000 Mark) - als Desdemona nach Berlin. Ihr Partner als Othello ist Paul Wegener. Als ein Engagement an Jessners Staatstheater nicht gelingt, geht sie an die Rotter-Bühnen (Residenz- und Trianontheater), dann für fünf Spielzeiten (1921/22-1925/26) wieder zu Meinhard & Bernauer, wo auch Hilde Wörner (seit 1919/20) engagiert ist. 
Durch Wörner, mit der sie bereits in Bremen zusammen gespielt hat, hat Maly Delschaft im Januar 1921 erstmals mit dem Film Berührung. Sie spielt bei der Wörner-Film in der Kurzfilmreihe DIE BERLINER RANGE ein kleines Mädchen. Ab 1921 ist sie auch in Spielfilmen präsent. Als erster Film gilt DER LIEBLING DER FRAUEN. Im Wörner-Film DANTON spielt sie erstmals an der Seite von Emil Jannings, mit dem sie fortan eine besondere Sympathie verbindet. Vermutlich durch seine Vermittlung wird sie in Murnaus DER LETZTE MANN (1924) - wie auch ein Jahr später in E. A. Duponts VARIETÉ - als seine Partnerin besetzt. Als Tochter des Hotelportiers erlebt sie beim Film ihren Durchbruch.
Allerdings kann sie sich dessen zunächst nicht freuen. Am 30.10.1924 hat ein Schiedsgericht der Filmindustrie Maly Delschaft als kontraktbrüchig befunden, weil sie ihr Auftreten in einer Szene davon abhängig gemacht hat, dass ihr das Schlusshonorar ausgezahlt wird. Sie wird für ein Jahr von der deutschen Filmindustrie gesperrt. Ihr Marktwert ist jedoch bereits so hoch, dass sich Stimmen zu ihren Gunsten melden. Selbst jene Firma, gegen die der Vertragsbruch stattfand, beantragt, den Ausschluss wieder aufzuheben, was zum 1.2.1925 geschieht. 
Erster Film nach der Sperrung ist wieder ein Greenbaum-Film: In SÜNDENBABEL spielt sie eine junge, provinzielle Gutsfrau, die nach Abenteuern in Berlin wieder in die Arme ihres Ehemanns sinkt. Bereits bei DIE DREI PORTIERMÄDEL wird mit ihrem Namen an erster Stelle geworben. Mit diesen Erfolgen ist sie festgelegt auf Filme, die im berliner Milieu spielen. Bei Richard Oswalds LUMPEN UND SEIDE nimmt die Kritik sie als "urwüchsige, strotzend-saftige Schauspielerbegabung", wahr (Film-Kurier, 10.1.1925). Anlässlich des "Zille-Films" DIE DA UNTEN wird auf ihr suggestives Spiel aufmerksam gemacht, "bezwingend durch eine Körpersprache, die elementare Gefühlsregungen mitzuteilen weiß" (Film-Kurier, 7.1.1926). 
Im selben Jahr entsteht der Film, den Maly Delschaft als Höhepunkt ihrer Karriere betrachtet: KREUZZUG DES WEIBES, Martin Bergers "Tendenzfilm" um den Abtreibungs-Paragraphen 218. Sie spielt eine junge Lehrerin, die von einem Idioten (Werner Krauß) vergewaltigt wird und dann durch ihren Arzt (Harry Liedtke) einen Eingriff vornehmen lässt. Ihr Verlobter, ein Staatsanwalt (Conrad Veidt), ist in einem ähnlichen Fall gegen den Arzt vorgegangen und gerät nun in einen Gewissenskonflikt. "Maly Delschaft hat in vielen Fällen ihr großes Können bewiesen. Sie ist eine der wenigen deutschen Filmkünstlerinnen, die unter Verzicht auf elegante Toiletten und das sogenannte ›schöne Gesicht‹ Frauen darstellen, wie sie das Leben schafft. (...) Ein leises Zucken ihrer Mundwinkel, ein müdes Heben ihrer Schultern ist eindrucksvoller als ein Tränenausbruch so mancher ›Diva‹. Ihre Übergänge vom Schmerz zur Freude, vom Weinen zum Lachen sind menschlich ergreifend. Nirgends ein falscher Ton. Ihr verständnisloses Dahindämmern nach der Entehrung im KREUZZUG DES WEIBES ist unvergeßlich." (Film-Kurier, 5.7.1927). Mit dieser Rolle rückt sie in die erste Reihe deutscher Schauspieler auf.
Doch der Erfolg wiederholt sich nicht. Maly Delschaft spielt in Mittel-Filmen wie der Schweizer-Historie PETRONELLA oder - wieder unter Bergers Regie - in DIE AUSGESTOSSENEN die Frau eines Zuchthäuslers, die ihr Kind weggibt. Mehrfach fragt die Presse, wann sie endlich die Rolle erhält, "mit der sie den Weltmarkt erobert!" (BZ am Mittag, 10.4.1926). Im Leben elegant, häufig für Modezeitschriften tätig, ist sie über ihre Besetzungen nicht sehr glücklich: "Ich habe bewiesen, daß ich (…) nicht einseitig bin (…). Ach, eine Rolle haben, wo ich etwas von mir selbst geben kann, wo ich nicht mein Temperament zu unterdrücken brauche." Als Wunschrolle nennt sie "die Pompadour" (Delschaft, 1928). 
1929 scheint sich diese Chance zu bieten, als sich Jannings für seinen ersten Tonfilm, DER BLAUE ENGEL, Delschaft als Lola-Lola wünscht. Doch sie ist zu Besuch bei ihren Eltern und nicht erreichbar. Dass ihr die Rolle gelegen hätte, darf man angesichts ihres Erfolgs in ähnlichen Rollen unterstellen: Sie ist eine glänzende Lulu in Wedekinds "Erdgeist" (Theater in der Königgrätzer Straße, 7.10.1923), in Louis Verneuils Salonstück "Karussell" (Komödienhaus am Schiffbauerdamm, 31.10.1924) spielt sie eine Kokotte, die ihre Liebhaber abwechselnd betrügt und gegeneinander ausspielt: "Besonders die weibliche Rolle wurde mit einer Frivolitä des äußeren und inneren Gehabes durchgeführt, daß sich Bewunderung mit Bedauern mischte: Wie kann man nur so ›echt‹ in solchen Rollen sein?!" (Badischer Generalanzeiger, 13.10.1925). Mit diesem Stück geht sie auch auf Tournee durch Deutschland, gastiert damit (in schwedischer Sprache) auch in Schweden. (Angeblich wirkt sie in den 20er Jahren in mehreren schwedischen Filmen mit, die nicht nachweisbar sind.) 
Ihren ersten Tonfilm, VERKLUNGENE TRÄUME, dreht Maly Delschaft in Konstanza am Schwarzen Meer abermals unter der Regie von Martin Berger. Frühe Tonfilme machen sich gelegentlich ihre Ähnlichkeit mit Marlene Dietrich zunutze, so der Kriminalfilm K 1 GREIFT EIN: "Daß man öfters an Marlene denkt, dafür kann sie schließlich nichts, denn sie war eigentlich eine Mitschafferin dieses Typs" (Sirius, 10.5.1933) - "Sie hat Marlenenhaftigkeit, die ihr Eigentum ist." (Berndt, 1933). Die Sigi Arno-Komödie KEINE FEIER OHNE MEYER zeigt, dass sie zwar über eine ausgezeichnete Sprechtechnik verfügt, ihr stummes Spiel aber suggestiver ist als ihre Sprachbehandlung. Da ihre Beschäftigung beim Film nachlässt, ist sie wieder verstärkt auf berliner Bühnen zu sehen: 1933/34 am Kabarett der Komiker, 1934-36 an der Komischen Oper, der Volksbühne, dem Theater am Nollendorfplatz. 1935 spielt sie am Theater in der Behrenstraße im Schwank "Immer kommt es anders" neben Erik Ode und Kurt von Ruffin, 1936 in der Komödie "Eine Frau, die denkt", 1937/38 im Schwank "Die Kleider meiner Frau" mit Walter Janssen. Nebenher ist sie auch in Hörspielen des Reichsrundfunks beschäftigt.
1937 erhält sie von Jannings das Angebot, eine der beiden Mägde in seiner Verfilmung von Kleists DER ZERBROCHENE KRUG zu spielen. Da aufgrund eines Fehlers der Tobis ihre Mitwirkung nicht zustande kommt, wird ihr als Ersatz eine Rolle in der Verfilmung von Eberhard Foersters Komödie "Verwandte sind auch Menschen" angeboten. Da auch dies sich nicht realisieren lässt, erhält sie das vereinbarte Honorar ohne Gegenleistung. ALTES HERZ GEHT AUF DIE REISE, nach Hans Fallada, in dem Maly Delschaft eine hartherzige und missgünstige Bäuerin spielt, die einem Pflegekind das Erbe vorzuenthalten sucht, gelangt nicht in die Kinos, weil der Regisseur Carl Junghans nicht die vom Propagandaministerium genehmigte, sondern eine abgelehnte Fassung des Drehbuchs verfilmt. 
1941 spielt Delschaft die Hauptrolle in dem Schwank "Der rote Unterrock" von H. Bossdorf. Die Tournee wird im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) in Verbindung mit dem Sonderreferat Truppenbetreuung im Propaganda-Ministerium von der NS-Gemeinschaft "Kraft durch Freude" organisiert und führt drei Monate (15.3.-15.6.1941) durch das besetzte Frankreich, vor allem die Normandie und Bretagne. Sie wirkt auch in zwei Kurzszenen der Reihe "Wir senden Frohsinn - wir spenden Freude" mit, die am 15. und 22.10.1943 vom Deutschen Fernseh-Rundfunk über den Reichssender Paul Nipkow ausgestrahlt werden.
Nach dem Krieg arbeitet Delschaft vorwiegend für die DEFA. Ausschlaggebend sind die attraktiveren Angebote und ihr in den 20er Jahren geprägtes Image: "Maly Delschaft ist wie stets zuverlässig in Rollen mit proletarischem Einschlag", wie Hans Feld 1927 anläßlich der Premiere von DAS RECHT ZU LEBEN geschrieben hat. Ihr erster Film ist 1948 AFFAIRE BLUM unter der Regie von Erich Engel. Sie spielt die Schneiderin Anna Platzer, deren Bruder (Arno Paulsen), ein ehemaliger Buchhalter eines jüdischen Unternehmers, ermordet wird, was allerdings von den antisemitischen Behörden vertuscht wird. Anerkennung bringt ihr in FAMILIE BENTHIN die Darstellung der opferbereiten und hingebungsvollen Mutter Neumann, "deren Mitgefühl erweckendes Schicksal diesem Film die Krönung gab" (kg-d, Neue Filmwelt, Nr. 12, 1950). Der Film schildert das Schicksal einer westdeutschen Familie, die durch die alliierten Industrie-Demontagen arbeitslos wird, während die im Osten lebenden Angehörigen besser zurechtkommen. Diese Rolle kontrastiert mit der gelähmten Nationalsozialistin Bertha Sonnenbruck in DIE SONNENBRUCKS, die, mit einem liberalen Professor verheiratet, sogar gegenüber ihren Kindern derart parteitreu ist, dass sie schließlich an dieser Härte zugrunde geht. Eine beachtliche Leistung ist in Falk Harnacks - kurz nach der Premiere verbotener - Arnold Zweig-Verfilmung DAS BEIL VON WANDSBEK ihre Darstellung der habgierigen, egoistischen, nazistischen Budikerfrau Lehmke, die für ihre Ziele fast über Leichen geht.
Vom 1.5.1951 bis zum 31.7.1957 ist Delschaft durch Jahresverträge bei der DEFA verpflichtet. Ab 1.8.1954 schließt sie mit der Volksbühne am Luxemburgplatz (Intendant: Fritz Wisten) ebenfalls jährliche Gastverträge. Beide Tätigkeiten werden durch den Mauerbau am 13.8.1961 beendet. Das Angebot, in den Ostteil der Stadt zu ziehen, nimmt Delschaft, die seit 1935 eine Wohnung am Kaiserdamm 89 bewohnt, nicht an. Ihr letzter DEFA-Film ist KEIN ÄRGER MIT CLEOPATRA, der die Vorzüge landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften gegenüber alter Dorfseligkeit rühmt, die eher nach dem Geschmack der spökenkiekerischen Oma Kahlow ist, die Maly Delschaft wirkungsvoll verkörpert. Die letzte Rolle an der Volksbühne ist wieder die Anna Platzer in "Affaire Blum" (30.5.1961, R: Hagen Mueller-Stahl). Ein Gastvertrag wird "auf Grund der veränderten Verhältnisse" im gegenseitigen Einvernehmen mit Wirkung vom 31.10.1961 gelöst.
Ihr letzter Film ist ZWEI UNTER MILLIONEN, dessen Außenaufnahmen, die in Berlin gedreht werden, am 15.8.1961 beendet sein sollen. Auch hier fällt - wie bei Billy Wilders ONE, TWO, THREE - der Mauerbau in die Dreharbeiten. Nach 1961 tritt Delschaft nur noch in kleinen Fernsehrollen (Sendetitel nicht nachweisbar) und einmal am berliner Hansa-Theater auf. 
Maly Delschaft stirbt am 20. August 1995 in Berlin.


Auszeichnungen

  • 1970 Deutscher Filmpreis: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.

Literatur

  • Maly Delschaft: Zu Neujahr wünscht sich Dein Filmstar. In: Film-Kurier, Nr. 1, 1.1.1928.
  • Maly Delschaft: Kindheits-Erinnerungen. In: Die Filmwoche, Nr. 12, 1933.
  • Eine Schauspielerin. In: Film-Kurier, Nr. 288, 6.12.1924.
  • F.W.K.: Mein Film. In: Film-Kurier, Nr. 305, 29.12.1924.
  • Ein Gnadenerlaß. In: Film-Kurier, Nr. 29, 3.2.1925.
  • j-n. [= Walter Jerven]: Die Maly! In: Film-Kurier, Nr. 103, 2.5.1925. 
  • Unsere "Jungen" und Amerika. In: Film-Kurier, Nr. 137, 13.6.1925.
  • Enzyklopädie des Tages. In: Film-Kurier, Nr. 193, 18.8.1925.
  • Glashaus. Maly Delschaft hat was angestellt. In: Film-Kurier, Nr. 182, 6.8.1926.
  • Was sie bereuen - Wofür sie Buße tun ... In: Film-Kurier, Nr. 269, 16.11.1926.
  • Bunte Chronik. Maly Delschaft. In: Film-Kurier, Nr. 285, 6.12.1926.
  • Ihre schwerste Rolle. In: Film-Kurier, Nr. 156, 5.7.1927. 
  • Ernst Jäger: Gespräch mit Maly Delschaft. In: Film-Kurier, Nr. 226, 24.9.1927.
  • Über Filmstars. In: Film-Kurier, Nr. 19, 21.1.1928.
  • S. Berndt: Maly Delschaft. Unser wöchentliches Interview. 
    In: Die Filmwoche, Nr. 20, 1933. 
  • Wie bei Maly Delschaft das große Glück über den kleinen Weg kam. 
    In: Filmwelt, Nr. 44, 1938.
  • kg-d: Bei Maly Delschaft. In: Neue Filmwelt, Nr. 12, 1950.
  • Berndt W. Wessling: Den deutschen Film hat sie mitgeprägt. 
    In: Die Welt, 3.12.1977.
  • Christina Tilmann: Marlene vor der Marlene. Der Tagesspiegel, 23.12.1998.
  • Wolfgang Mielke: Sie hat Marlenenhaftigkeit. In: Die Welt, 24.12.1998.