FilmMaterialien 5 - Phil Jutzi

Mein Beruf und seine Sorgen

Der Filmregisseur Piel Jutzi erzählt

Von Herbert Sandberg

in: Berlin am Morgen, Nr. 71, 25.3.1930


Zum Film kam ich auf eine ganz komische Art und Weise. Ich war zuerst Kunstmaler und trieb mich im Jahre 1916 im Schwarzwald herum und malte. Zu verdienen gab es damals nichts, bis ich einmal dort in einem kleinen Städtchen sah, daß die Kinos keine Plakate haben. Damals ließen sich nämlich noch die Kinos große, bunte Plakate für die einzelnen Filme malen. Ich ging zu einem kleinen Kinobesitzer heran und fragte ihn, ob ich ihm die Plakate nicht malen dürfte. Er bejahte das, und ich hatte 'ne Zeitlang zu tun.

Dies war nun tatsächlich mein erster Schritt zum Film. Denn mein Chef, der Kinobesitzer, kaufte sich bei Gelegenheit eine Kamera, die ich mit dem Geiger des dortigen Kinos bald zu ein paar Versuchsaufnahmen benutzte. Ich entsinne mich noch, wie wir mächtig stolz waren, als ein auf dem Dorfteich schwimmender Schwan sich richtig auf unseren Bildern bewegte. Der Kinobesitzer war mit uns ganz eingebildet über unsere Tüchtigkeit, und wir beabsichtigten damals, einen Film gemeinsam herzustellen. Das so großzügig gedachte Projekt kam aber dann nie zur Ausführung, weil dem guten Mann das Geld ausgegangen ist. Ich benutzte jedenfalls jede freie Minute zu neuen Versuchen und Aufnahmen. Schon hier kam mir die Erkenntnis, die mir heute zur Gewißheit geworden ist, daß das Wesentliche beim Film die richtige Behandlung der Kamera ist. Diese Erfahrungen bewogen mich nun, mich soviel als nur irgend möglich mit der Kamera zu beschäftigen. Hierzu gab mir bald die I.A.H. Gelegenheit. Sie stellte mir einen Apparat zur Verfügung, mit dem ich aktuelle Aufnahmen machte.

Dreharbeiten zu MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK: Friedrich Gnaß, Phil Jutzi, Ilse Trautschold

Im Herbst vorigen Jahres kam dann unser Filmarchitekt Scharfenberger zu mir mit der Idee, einen Zille-Gedenkfilm zu drehen. Der Maler Otto Nagel, der ein guter persönlicher Freund von Zille war und viele Erlebnisse Zilles kannte, wurde hinzugezogen, und wir gingen schon im September auf die Typensuche in die Gegend des Nordens. Jetzt kamen schon die ersten Sorgen für uns. Erstens dauerte es wochenlang, bis ich den Typ, der uns vorschwebte, fand. Und hatte ich dann schon die richtigen Leute zusammen, kam die zweite große Schwierigkeit. Die Leute sollten sich einfach und natürlich bewegen und ungezwungen bleiben, aber alles versuchte zu schauspielern. Schließlich gelang es aber doch, und unsere »Zille-Menschen« bewegten sich wie im Leben. Die Aufnahmen wurden größtenteils auf der Straße gemacht. Einen Teil der Innenaufnahmen mußten wir im Atelier machen. Da gerade alle Ateliers besetzt waren, mieteten wir einen unbenutzten Maschinenraum der Albatros-Flugzeugbaugesellschaft. Interessant ist vielleicht, daß der Film, obwohl doch größtenteils nur Arbeiter mitwirkten (und sehr wenig Schauspieler), sowohl künstlerisch wie geschäftlich der größte Erfolg der gesamten Prometheusproduktion geworden ist.

Jetzt beginne ich mit einem neuen Film. Einem Tonfilm, dem das Buch von Anna Seghers: »Aufstand der Fischer« zugrunde liegt. Wie der Name dieses mit dem vorjährigen Kleist-Preis ausgezeichneten Buches schon sagt, wird es ein Fischerfilm. Die Hauptrolle spielt Asta Nielsen, die hier das erste Mal eine Mutterrolle spielen wird.

Im übrigen bin ich nur für den aktuellen Film, der nicht bloß unterhalten, sondern auch einen höheren Zweck erfüllen soll. Allerdings darf die Tendenz nicht zu dick aufgetragen sein. Wer aus dem Kino herausgeht, soll unter dem Eindruck des eben Gesehenen gezwungen sein zu sagen: »Es ist tatsächlich so im Leben.« Und wenn dann gar noch jemand fragt, wie das zu bessern wäre, dann ist der Zweck des Films erfüllt, jedenfalls so wie er mir vorschwebt.


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