Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Wiener Küche in Hollywood

von Mizzie Scheithauer

in: Licht-Bild-Bühne, 10.6.1931


Oscar Straus, Heinrich George und Paul Morgan spielen neben vielen anderen Stars in dem Metro-Goldwyn-Mayer-Tonfilm »Wir schalten um auf Hollywood«, dessen Premiere heute, Mittwoch, im Capitol stattfindet.

Die schlechte Laune ist sofort verflogen, wenn ein schönes Wiener Schnitzel und einige gute Zwetschgenknödel ihren Duft verbreiten. - Das sagt mir Oscar Straus jeden Tag, seitdem ich bei ihm das Haus führe. Über seinen Vertrag nach Hollywood war er sehr glücklich, sehr unglücklich aber war er, wenn er an das amerikanische Essen dachte. Ich konnte seine schlechte Laune nicht mehr mit ansehen. »Gnä' Herr«, sagte ich, »das geht einfach nicht. Sie dürfen sich Ihren Magen da drüben nicht verderben, dafür werde ich sorgen!!! - Jetzt essen Sie Ihre Knödel in Ruhe auf und lassen Sie sich Ihren Milchkaffee gut schmecken.« - »Ja, aber -« stammelte Straus. - »Nichts aber, ich fahre mit und basta.«

Da lacht er: »Das ist die beste Idee dieses Filmjahrhunderts - Wiener Küche in Hollywood.«

Sein Jubel war aber nur ein schwacher Vorgeschmack der stürmischen Begeisterung, die meine Anwesenheit in Hollywood hervorrief.

Es war gerade die Zeit, als in dem Metro-Goldwyn-Mayer-Atelier die beiden deutschsprachigen Tonfilme »Menschen hinter Gittern« und »Wir schalten um auf Hollywood« mit deutschen Schauspielern gedreht wurde. - Wir waren bei keiner Mahlzeit allein bei Tisch, immer kamen unangemeldete Gäste. Sehr oft kam Herr Morgan, der die Hauptrolle in »Wir schalten um auf Hollywood« spielte. Einmal war er sehr blaß. »Fehlt Ihnen etwas?« frage ich. »Nein, bloß was zum Essen, so was Richtiges: Geselchtes mit Knödel und Kraut riech ich, stimmt's?«

»Ja, Herr Morgan, aber wieso sind Sie so grün im Geischt, ist Ihnen etwas passiert?« - »Ja - eigentlich nein - es ist nur nicht mein Fall, der Fall, den ich eben machte. - Ich sprang nämlich in meiner heutigen Filmaufnahme aus einem Flugzeug, allerdings mit Fallschirm, aber es macht keinen Spaß, ich bin mehr für den ebenen Boden. In die Luft gehören die Vögel, und ich bin nun mal keiner - -« Ich hatte Mitgefühl und brachte ihm ganz schnell etwas zu essen, und er erholte sich zusehends.

Plötzlich öffnete sich die Tür, ein Mann im Sträflingsanzug. Sollte ich um Hilfe rufen -?

»Ich rieche Kass'ler mit Sauerkohl«, sagte eine Stimme, »entweder Ihr gebt mir was davon, oder - - - ich muß mir wo anders den Magen verderben.«

»Leider, Herr George« - der war es nämlich im Kostüm seiner Rolle in dem Film »Menschen hinter Gittern« - »kann ich Ihnen nur Geselchtes mit Kraut geben, wenn Sie das wollen?«

»Nein - das kenne ich nicht, ich will Kass'ler mit Sauerkohl.«

»Nicht streiten, Ruhe, Ruhe«, ließ sich Herr Morgan vernehmen, »ist ja dasselbe, heißt bloß anders.«

Und Herr George ließ sich sein Kass'ler gut schmecken.

So ging das alle Tage. Einmal war es Herr Diessl, ein andermal Frau Dita Parlo, Oder Egon von Jordan, alle Deutschen und Österreicher, die von der Metro-Goldwyn-Mayer nach Hollywood verpflichtet worden waren, um in den deutschen Filmen deutsch zu sprechen. Sie alle holten sich bei meiner Kochkunst ihre gute Laune, und so gebührt auch mir ein Anteil an dem guten Gelingen des Films. Und Herr Straus jun., der diesen Artikel für mich aufgeschrieben hat, findet, daß ich recht habe.


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