CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film.
 

Siegfried (Sigi, Sig) Arno - Schauspieler

Biografie

siehe auch: Diskografie, Filmografie, FilmMaterialien 8

Standesamtliches (1)

Siegfried Arno wird als Siegfried Aron am 27. Dezember 1895 in Hamburg-Neustadt, Brüderstraße 14, geboren. Seine Eltern, erst kurz zuvor mit der Tochter Dorette (geb. 1891) als Auswanderer aus Amerika in ihre Geburtstadt Hamburg zurückgekehrt, sind der Kassierer Louis Aron (1866-1947) und seine Frau Emma Elise Adele Amanda, geb. Bez (1869-1967). Sein Bruder Bruno Arno (geb. 1902) wird gleichfalls als Schauspieler, als Tänzer und Choreograf, später auch als Maler bekannt.

Hamburger Bühnen

Vermutlich 1901-10 besucht Arno die Talmud-Tora-Realschule, Kohlhöfen 19-20. »Damals in der Tertia machte ich schon richtiges Theater zusammen mit meinen Klassenkameraden.« (Arno, 1929).

Gegen eine Laufbahn als Schauspieler erhebt der Vater Einwände. Arno, der schon auf der Schule große zeichnerische Begabung gezeigt hat, absolviert eine dreijährige Ausbildung an der Kunstgewerbeschule und arbeitet zugleich zwei Jahre als Modezeichner bei Hirsch & Cie am Jungfernstieg. Gleichzeitig ist er im Hamburger Theaterverein aktiv (wo er seine erste Ehefrau Lia Dahms kennenlernt) und ein eifriger Besucher der hamburger Bühnen: »Anstatt die Abendkurse zu besuchen, hatte ich hoch oben auf der Galerie des Thalia-Theaters gesessen. Mein Vater wollte die Sache ›diplomatisch‹ beilegen, ging mit mir zu dem berühmten Schauspieler und Lehrer Max Montor und hoffte, daß der uns rausschmeißen und ich von meinen Theatergrillen geheilt würde. Aber es kam anders: Montor war begeistert, als ich ihm Verschiedenes aus dem Stegreif vorsprach. Er gab mir sofort einen Empfehlungsbrief an die Direktion des Harburger Stadttheaters...« (Arno, 1929).

Die Reise ins benachbarte Harburg macht sich bezahlt: »Es war kurz vor dem ersten Weltkrieg. Da erschien eines Morgens im ›Allerheiligen‹ des Harburger Stadttheaters ein schmächtiger Jüngling, um Chef Friedrich Otto Fischer vorzusprechen. Der junge Mann, Kaufmannsstift im heimatlichen Hamburg, hatte sich für seine Talentprobe die Erzählung Mortimers aus ›Maria Stuart‹ gewählt, die mit den Worten beginnt: ›Ich zählte zwanzig Jahre, Königin!‹ Er legte mächtig los, und Friedrich Otto Fischer hörte dem pathosgeladenen Vortrag interessiert zu. Als der Helden- und Liebhaberaspirant die Schillerschen Verse hinter sich hatte, meinte Fischer: ›Du bist engagiert, mein Junge - als Komiker!‹« (Möhring, 1955).

1912-14 spielt Arno am Stadttheater Harburg (Debüt als Thisbe in »Ein Mittsommernachtstraum«, Rittmeister im Militärschwank »Husarenfieber«) sowie an der ihm angeschlossenen Freilichtbühne im Wandsbeker Gehölz. In der Sai-son 1914/15 ist er am Neuen Operettentheater am Spielbudenplatz engagiert, spielt dort zunächst mehrere Rollen in dem Kriegsstück »Weltbrand«, dann in Komödien und Singspielen: Graf Balduin in der Oscar Straus-Operette »Rund um die Liebe«; Salomon in »Das Musikantenmädel« (Jarno); Hans Lange in »Die Försterchristl«; Lajos in »Die Landstreicher« (Ziehrer); Alexis in »Die keusche Susanne« und einen Adligen in »Wenn der Frühling kommt« - beides Operetten des hamburger Komponisten Jean Gilbert (Max Winterfeld).

1915 tritt er als Ede Zündloch in der Komödie »S.M. der Dollar« am Schiller-Theater am Neuen Pferdemarkt auf. Im gleichen Jahr wird Arno eingezogen, möglicherweise zum 76er-Regiment. 1916 spielt er am Neuen Theater im Besenbinderhof (Markus in »Wenn Männer rar werden«), 1916/17 gastiert er mit Max Ellens Operettengesellschaft am Flora-Theater (Couder in »Die Dollarprinzessin«). »Mit allerlei Schlichen lotsten wir ihn abends aus der Kaserne, damit er am Schulterblatt das Publikum zum Lachen bringen konnte.« (Möhring, 1955). Dann wird er als Soldat der Maschinen-Gewehr-Kompanie 1, Reserve 31 an die Westfront nach Flandern abkommandiert.

Nach dem Krieg spielt Siegfried Arno auf der Reeperbahn am Carl-Schultze-Theater (Adolar in »Fräulein Puck« von Willi Kollo; Prinz Paul in »Der letzte Walzer« von Oscar Straus). Im September 1920 geht er für eine Saison an das Landestheater Prag, 1921 singt und spielt er am Flora-Theater in den Hamburg-Revuen »In Hamburg ist der Teufel los!« und »Auf in die Flora!« und wiederholt am Schiller-Theater seinen Auftritt in der Komödie »S.M. der Dollar« (die nun den republikgemäßeren Titel »Die von drüben« trägt).

Berliner Theater

Im Januar 1922 zieht Arno nach Berlin, wo er am Thalia-Theater spielt und mit dessen Ensemble er 1923 mit dem Lustspiel »Die rote Katze« noch einmal am Carl-Schultze-Theater gastiert. Im Hamburger Adressbuch ist er weiterhin unter der Anschrift Bleichenbrücke 3 verzeichnet.

In Berlin wird Arno rasch populär. 1923-26 ist er Ensemblemitglied am Metropoltheater, dort 1927 in der Erik Charell-Produktion »Die lustige Witwe« Partner von Fritzi Massary. Anschließend verpflichtet ihn Charell ans Große Schauspielhaus, wo er u.a. in den Operetten »Der liebe Augustin«, »Drei Musketiere« (neben Max Hansen) und »Casanova« (neben Michael Bohnen) brilliert. Ein nachhaltiger Erfolg ist 1930 sein Auftritt in Ralph Benatzkys Singspiel »Im Weißen Rößl« mit dem ihm gewidmeten Schlager »Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist«. 1932/33 ist er am Kabarett der Komiker aktiv.

Stummfilm

Ab Mitte der 20er Jahre arbeitet Arno intensiv auch beim Film. Erste Meriten erwirbt er sich in Richard Oswalds Salonstück EINE FRAU VON VIERZIG JAHREN: »Die schauspielerische Entdeckung ist Siegfried Arno, der Darsteller des Hausfreundes: der deutsche Chaplin, nicht weniger, der sich nur noch von gewissen Allüren jenes zu befreien braucht, um ein ganz selbständiger Groteskkomiker großen Formats zu sein. Hier haben wir den Schauspieler, mit dem man eine deutsche Groteske schaffen könnte. Arno karikiert die Gestalt, die er verkörpert, ohne sie deswegen in ihre Elemente aufzulösen. Er bleibt immer konkretes Individuum. Und wie alle echte Komik, ist auch seine Komik der Tragik verwandt.« (M-s, Film-Kurier, 15.4.1925). Auch in MANON LESCAUT, der üppig-barocken Prévost-Verfilmung der Ufa, fällt er auf: »Darstellerisch dominiert Arno als Gauner Lescaut. Er setzt alles in Bewegungswitz um. Er ist erfinderisch, launig und genau.« (Herbert Ihering, Berliner Börsen-Courier, 18.2.1926).

Doch rasch wird Arno - häufig in Militär- und Zivil-Klamotten - auf den bloßen Faxenmacher festgelegt: »Es tut einem, der alle Ihre Filmrollen kennt, leid, wenn er tausend Meter Arnoskelett in irgendeiner Verkleidung mißgestimmt herumtaumeln sieht. Wenn Arno unschöpferisch Gipsabdrücke seines Ich produziert. (...) In einem Ihrer früheren Filme kletterten Sie als Maurer vom Gerüst in die Stube. Diese Exzentrik wuchs aus der Sekunde. Wie lag der Kniefall da! Oder wenn Sie als Muschkote schiefbemützt in die graue Welt glotzten, glichen diese Ihre Nebengesichter plötzlich den Masken unserer Nächsten. Man hatte in Ihnen eine Filmbegabung entdeckt und mißleitet Sie so. (...) Wehren Sie sich dagegen.« (Feld, 1927).

Doch gibt es auch Rollen, in denen Arno sich dem Klischee entzieht: der alte, skeptische Artist in TRAGÖDIE IM ZIRKUS ROYAL (1927/ 28) oder der Hehler in dem proletarischen »Straßenfilm« JENSEITS DER STRASSE (1929): Als Beherrscher der »Elektrik-Bar«, einer wüsten Hafenkaschemme, »wagt er mit Erfolg eigenwillige Exkursionen ins Irreale, Stilisierende« (Film-Kurier, 11.10.1929) - »Siegfried Arno läßt uns merken, daß er eine eindringliche Type abgibt, wenn er nicht gewaltsam Komik produziert« (H. G. Lustig, Tempo, 11.10.1929).

Wiederholt bildet der schmale, schlaksige Arno mit dem dicken Kurt Gerron ein Komiker-Team. Als »Beef und Steak« kreieren sie - beim ersten Film wohl in eigener Produktionsleitung - mit WIR HALTEN FEST UND TREU ZUSAMMEN und AUFRUHR IM JUNGGESELLENHEIM deutsche Film-Grotesken, die bei der Kritik allerdings nicht die erhoffte Resonanz finden: »Arno und Gerron tun, was begabte Komiker tun können (...) - leider ist es unmöglich, ohne die geringste Idee wirkliche Menschen auf die Beine zu stellen. So müssen sie versuchen, von ihren Extempores zu leben, und die gibt es in bisher kaum gesehner Fülle. Es gibt keine Szene, wo sie nicht mit irgendwelchen Gewaltsachen den Zuschauer zu kitzeln versuchen, insbesondere Siegfried Arno findet kein Ende, immer wieder neue Späße zum Besten zu geben. Aber all diese etwas verkrampfte Komik verursacht ein Gefühl der Leere, das für den Erfolg des Films nicht gerade gut ist.« (P. M., Lichtbild-Bühne, 25.9. 1929). So bleibt der »frühe« Arno vor allem durch seine komischen Nebenrollen in einigen Filmen von G. W. Pabst - Detektiv in DIE LIEBE DER JEANNE NEY (1927), Theaterinspizient in DIE BÜCHSE DER PANDORA (1929) - im Gedächtnis: Auftritte, die von ungezügelter Hyperaktivität gekennzeichnet sind.

Tonfilm

Anfang der 30er Jahre gelingt Arno der Sprung vom Chargen- und Ensemblespieler zum Star einer ganzen Reihe schnell und billig produzierter Grotesk-Lustspiele. In DIE VOM RUMMELPLATZ führt er als Budenausrufer Hannes eine Mickey-Mouse-Imitation (Anny Ondra) zur Weltberühmtheit; in MORITZ MACHT SEIN GLÜCK wird er als Lehrling und potentieller Millionenerbe hofiert; in DAS GEHEIMNIS DER ROTEN KATZE variiert er eine erprobte Bühnenrolle als Unterweltganove; in DER STORCH STREIKT (Untertitel: »Siegfried, der Matrose«) gerät er aus einer ebenso unfreiwilligen wie unerquicklichen Ehe in die Mühlen einer Kadettenausbildung.

Auch EIN AUSGEKOCHTER JUNGE beschreibt einen Alptraum, der als komische Farce inszeniert ist: Ignaz Fischbein (Arno), ein schüchterner Modehausangestellter, wird in einer Jahrmarktsbude hypnotisiert, wähnt sich verheiratet und flüchtet mit seiner gleichfalls dämmernden »Angetrauten« (Olly Gebauer) in eine Ferienpension, in der ihm nicht allein ein bombenwerfender russischer Anarchist nach dem Leben trachtet, sondern sämtliche Pensionsgäste die zu Beginn des Films aufgeworfene Frage: »Sind Sie völlig irr?« bedenkenlos mit »Ja!« beantworten können.

KEINE FEIER OHNE MEYER handelt von Lust und Leid eines schlawinernden Heiratsvermittlers, dessen Herzens- und Geschäftsangelegenheiten mächtig durcheinanderwirbeln. Denn während Siegmund Meyer (Arno) sich zum Stahlfabrikanten hochstapelt, um die Begehrte zu ergattern, zielen seine »professionellen« Ratschläge unwissentlich darauf ab, eben diese Dame dem besten Freund ins Lotterbett zu treiben, wobei Arno - wie gewohnt - »als Schönredner und Schnellhelfer das personifizierte Tempo in allen Lebenslagen« verkörpert (Film-Kurier, 28.10.1931).

Der Radrennfahrer-Film UM EINE NASENLÄNGE und DER SCHÖNSTE MANN IM STAATE schließlich versuchen, aus Arnos hervorstechendstem Körpermerkmal, seiner »griechisch-römisch-spanischen« Nase, Kinokapital zu schlagen. Im übrigen ist im Tonfilm auch Arnos hamburger Herkunft auffällig. Eine - ansonsten lobende - berliner Kritik über DIE VOM RUMMELPLATZ vermerkt: »Nur hätte man vielleicht seinen hamburgischen Dialekt vermeiden müssen, der zwar in den Vokalen sehr komisch klang, aber in den Konsonanten (das berühmte s-t) mit dem Mikrophon nicht ganz einig wurde.« (Der Film, 16.8.1930).

Emigration

1932 tritt Arno im Rahmen einer Tournee mit dem Sketch »Das Streichquartett« von Szöke Szakall noch einmal am Flora-Theater in Hamburg auf. »Sein letztes Auftreten fand im Admiralspalast statt, wo er mit Richard Tauber, der Novotna und Oskar Homolka in Weinbergs ›Frühlingsstürme‹ spielte; es dauerte genau drei Tage.« (Pem, 1965).

Kurz darauf, nach dem Reichstagsbrand, verläßt Arno, dessen Plakate Ziel antisemitischer Schmierereien geworden sind, Deutschland. Es beginnt eine Odyssee durch mehrere europäische Länder: die Niederlande, Schweiz, Italien, Spanien, Portugal, Belgien. Unterwegs nimmt das »Sprachgenie Siegfried Arno« Bühnenengagements wahr: »In Antwerpen spielte Arno in der Operette ›Jim und Jill‹ in flämischer Sprache. Gegenwärtig ist Arno in Rom engagiert, wo er in der Operette ›Ball im Savoy‹ in italienischer Sprache auftritt.« (Pariser Tageblatt, 23.11.1934). In Portugal erhält er 1934 - neben anderen Emigranten in verschiedenen Funktionen - eine Rolle in GADO BRAVO, einem der ersten portugiesischen Tonfilme. In Belgien führt er 1936 zum einzigen Mal selbst Filmregie: Für die brüsseler Sabac-Film inszeniert er (in flämischer und französischer Fassung) das musikalische Lustspiel DE ROEM VAN HET REGIMENT / LA GLOIRE DU RÉGIMENT, »einen im Wesen antimilitaristischen Filmschwank. Die ›Sabac‹ wurde in Brüssel von einer Gruppe deutscher und österreichischer Emigranten ins Leben gerufen. (...) Die Musik enthält eine Reihe heiterer Schlager und ein einschmeichelndes Liebeslied, das mit der neuen ›Sphärenmusik‹ unterlegt ist.« (Pariser Tageszeitung, 28.5.1937). 1937-39 tritt er in Den Haag mit eigenen Programmen im Lutine Palast auf und beteiligt sich am Kabarett der Prominenten, gibt mit Willi Rosen und Otto Wallburg Gastspiele unter anderem im holländischen Seebad Scheveningen, wo im Sommer 1937 Max Schmeling ihr Gast ist.

Hollywood und Broadway

Brian Donlevy, Janet Blair, Sig Arno in TWO YANKS IN TRINIDAD (Gregory Ratoff, 1942)
1939 reist Arno nach Hollywood weiter. Im Mai wirkt er als Mitglied der Exil-Truppe The Continental Players in Leopold Jessners »Wilhelm Tell«-Inszenierung (als ein Bewacher des Hutes) mit, ehe er auch hier beim Film reüssiert - »noted for his zany waiters, haughty butlers, effete continentals and bon vivant caricatures« (Hollywood Reporter, 20.8.1975).

Arnos Auftritte - in immerhin rund 50 Produktionen - sind in der Regel kurz, aber einprägsam: der marktschreierische Schneider in William Dieterles THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME (1939); ein Erfinder, der unter der Diktatur Hynkels / Hitlers aus dem Fenster springt, in Chaplins THE GREAT DICTATOR (1940); Maestro Prestini, der Säulenheilige und Watschenmann in Reinhold Schünzels Schubert-Biografie NEW WINE (1941); ein Piccolo-Spieler in der Laughton-Episode in Julien Duviviers TALES OF MANHATTAN (1942) und nicht zuletzt der abgeblitzte, enervierende Gigolo mediterraner Herkunft (»Totò«) in Preston Sturges' Screwball comedy THE PALM BEACH STORY (1942).

Nebenher wird Sig Arno (wie er sich seit 1940 schreibt) auch als Zeichner und Porträtist - u.a. berühmter Kollegen wie Shirley Temple und Louis Calhern - bekannt. 1947 werden seine Gemälde im Vestibül des Philharmonic Auditorium, Los Angeles, ausgestellt: »Portraits and figure pieces predominate among the 12 paintings on view but Arno especially likes to do flower pieces. ›They sell,‹ he said, ›and I like to eat. If the time comes when neither stage nor screen wants me any more, then I shall paint all the time.‹« (Los Angeles Times, 28.4.1947).

Aber noch erhält Arno, der im kalifornischen Sherman Oaks ein rustikales Jagdhaus bewohnt, Engagements. 1944-46 spielt er am Broadway in dem Musical »Song of Norway« den Grafen Pepe le Loup, eine Rolle, auf die er in den folgenden Jahren abonniert ist (weitere Inszenierungen: 1952 Los Angeles, 1959 Jones Beach, NY, 1962 San Francisco). 1948 nimmt ihn der new yorker Impresario Edwin Lester unter Vertrag, der Arno in seinen Operetten-Produktionen einsetzt (»The Great Waltz«, »Rosalinda«, »My Friend Irma«). Ab den frühen 50er Jahren erhält er auch Fernseh-Engagements.

1954/55 agiert er neben seiner Ehefrau Kitty Mattern in Molnars »Spiel im Schloß«, der Eröffnungsinszenierung des Deutschen Theaters New York, anschließend geben sie Gastspiele an der von Siegmund Breslauer geleiteten Deutschen Bühne Buenos Aires.

Europa und USA

Friedrich Hollaender, Siegfried Arno (ca. 1955)
1955 kehrt Siegfried Arno erstmals nach Deutschland zurück. Am 25. Oktober trifft er, aus Buenos Aires kommend, auf dem argentinischen Passagierschiff »Alberto Dodero«, dessen Steuerrad er auf der Elbe zum Scherz übernimmt, in Hamburg ein. Am Liegeplatz Schuppen 85A erwarten ihn Freunde und Reporter: »In einem Trommelfeuer von Blitzlichtern umschwirrten den Schauspieler zahllose Fragen.« (Volker, 1955). Arno ist für eine Hauptrolle in Friedrich Hollaenders Stück »Scherzo« engagiert, das am Theater am Besenbinderhof (Leitung: Kurt Collien) als Produktion des Tournee-Theaters »Der grüne Wagen« in der Regie des Autors uraufgeführt wird.

Im Anschluß an einen kurzen Abstecher Arnos nach Berlin beginnen Mitte November die Proben zu Hollaenders »ernster Komödie mit Musik«; geplant ist auch eine Fernsehsendung für den NDR, in der Arno »die nettesten Songs aus Hollaenders ›Scherzo‹ singen und spielen« soll (Hamburger Echo, 19.11.1955). Am 31.1. 1956 hat in den Hamburger Kammerspielen das Stück »Meine Nichte Susanne« Premiere; die Hauptrollen spielen Kitty Mattern und Arnos Bruder Bruno.

Am 2.2.1956 wird »Scherzo« (mit Hermann Lenschau, Lou van Burg) uraufgeführt: »Den Prof. Wunderschön skizziert skurril und einprägsam der (mit viel Beifall empfangene) Siegfried Arno.« (Hamburger Abendblatt, 3.2. 1956). Das Stück - »dreidreiviertel Stunden flacher Tiefsinn mit Musik und Ballett« (Hamburger Echo, 3.2.1956) - ist kein Erfolg; schon nach zehn Tagen wird es vom Spielplan genommen: »Die Anteilnahme des Publikums war zu gering gewesen... Ein Versager, wie er sich ähnlich seit langem in Hamburg nicht ereignet hat.« (Hamburger Abendblatt, 14.2. 1956). Arno ficht das Debakel nicht an: »Daß seine Rückkehr zur deutschen Bühne in Hollaenders ›Scherzo‹ schiefging, war nicht seine Schuld und ist längst vergessen.« (Pem, 1965).

Im Herbst 1956 gastiert er an der Volksoper in Wien, im Frühjahr 1957 erneut in Hamburg. Als Dominique Malacrou in Wilhelm Lichtenburgs Groteske »Sträfling 501« agiert er (neben Kitty Mattern) unter der Regie von Fritz Umgelter von März bis Mai auf der Bühne von Peter Ahrweilers Kleiner Komödie am Neuen Wall: »Arno, wohltemperiert seine komischen Mittel einsetzend, steht natürlich im Mittelpunkt; großartig.« (Abendblatt, 11.3.1957). In der Saison 1957/58 ist er im Morosco Theatre in New York Partner von Helen Hayes, Richard Burton und Susan Strasberg in »Time Remembered«, einer Bearbeitung des Anouilh-Stücks »Léocadia«. Für seine Rolle als Oberkellner Ferdinand erhält er eine »Tony«-Nominierung.

Im September 1958 präsentiert sich Arno im Titania-Palast erstmals wieder dem berliner Publikum. Für 100 US-Dollar hat er von der Witwe Szöke Szakalls die Aufführungsrechte am unverwüstlichen »Streichquartett« erworben, in dem vier Musiker einer Abendgesellschaft nur schwerlich verbergen können, daß sie ihre Instrumente nicht beherrschen: »Sigismund-Siegfried liegt die zweite Geige ob - wie er's nun hilflos und rüde anstellt, daß niemand hinter die Schliche kommt, wie er sich dreht und windet, um das Unausweichliche hinauszuschieben, das ist schon sehr komisch und in manchen Augenblicken auch noch von jener rührenden, leisen unauffälligen Virtuosität der Mimik, die ihn damals auszeichnete und seinem Kumpanen Felix Bressart so verwandt machte.« (Der Tagesspiegel, 7.9.1958). Versuche Arnos, das Fernsehen für eine Aufzeichnung zu interessieren, haben keinen Erfolg.

Auch während der kommenden Jahre hält sich Arno als Begleiter Kitty Matterns gelegentlich in Deutschland auf. 1962 sendet das Deutsche Fernsehen die Personality-Show WIEDER ZURÜCK: SIEGFRIED ARNO; 1966 wird ihm in Anerkennung seines »langjährigen und hervorragenden Wirkens im deutschen Film« der Deutsche Filmpreis verliehen: »Das Goldene Filmband im Arm, den Glückwunsch des Staatssekretärs im Ohr, ein wenig Rührung im Herzen, stolperte der siebzigjährige Siegfried Arno auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin. Lautes Erschrecken im Auditorium wich erneutem Beifallklatschen. Er war sehr geschickt gestolpert, fast elegant, der schlanke, beinahe zierliche alte Herr, der bei betont aufrechter Haltung etwas kopflastig wirkt mit schlohweißem Haar und der berühmten großen Nase.« (Rolf Thoel, Die Welt, 3.6.1966).

Mit diesem kalkulierten Intermezzo geht Arnos Schauspielerlaufbahn zuende. Seine letzte Bühnenrolle hat er zwei Jahre zuvor absolviert: als Nish in »The Merry Widow«, einer Inszenierung am new yorker Lincoln Center, an die sich auch eine Tournee anschloß.

Standesamtliches (2)

Siegfried Arno ist 1922-32 mit der Schauspielerin Lia (Caroline) Dahms verheiratet. Der Sohn Peter Arno (geb. 1926) wird Kostüm- und Bühnenbildner und geht Ende der 40er Jahre in die USA. 1934-53 ist Arno mit Barbara Kiranoff verheiratet, ab 1953 mit der Schauspielerin Kitty Mattern (geb. 1919).

Auch Arnos Eltern gelingt die Emigration, zunächst nach Belgien, später über Argentinien in die USA. Bruno Arno verläßt Deutschland 1935 und gelangt 1937 über die Schweiz und Italien nach Argentinien. 1962 läßt er sich in der Bundesrepublik nieder.

Nach langem Leiden an der Parkinsonschen Krankheit stirbt Siegfried Arno am 17. August 1975 im Actors Fund Hospital, Woodland Hills, L.A.

Jörg Schöning


Literatur

  • Siegfried Arno In: Hermann Treuner (Hg.): Wir über uns selbst. Berlin: Sibyllen 1929.
  • [Hans Feld]: Kleine Epistel an Siegfried Arno. In: Film-Kurier, 5.2.1927.
  • Hans Tasiemka: Siegfried Arno. Ein kritisches Essay. In: Der Film, 15.10.1928.
  • Edith Hamann: Siegfried Arno. In: Die Filmwoche, Nr. 15, 1931.
  • Christian Volker: Der Komiker mit der großen Nase. In: Der Telegraf, Berlin/West, 2.11.1955.
  • Paul Möhring: Mortimer als - Komiker. In: Hamburger Abendblatt, 6.2.1956.
  • Pem (= Paul Marcus): Um eine Nasenlänge. In: Stuttgarter Zeitung, 31.12.1965.


Diskografie, Filmografie