Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.
Friedrich Zelnik: »Die Sprache der Welt«
in: Licht-Bild-Bühne, 13.3.1931
Amerika hat in letzter Zeit versucht, nur sogenannte »Business-Musik«, d.h. Filmmusik, die sich aus der Handlung heraus ergibt, zuzulassen. Wenn sich z.B. jemand ans Klavier setzt, dann kann man auch Klavierspielen hören; wenn jemand eine Geige in die Hand nimmt oder eine Guitarre, so kann man das betreffende Instrument hören, sogenannte »incidental music«; das plötzliche Ertönen eines Orchesters zum Tanz oder Gesang eines oder mehrerer Darsteller wurde prinzipiell nicht geduldet. Man wollte mit dieser Einführung die Unnatürlichkeit der Musik aus dem Film verbannen und kam zu einer Trockenheit, die sich auf die Dauer nicht hielt. Ich glaube, daß wir hier in Europa viel weiter gekommen sind. Wenn es auch nicht möglich ist, den ganzen Film, wie früher den stummen Film, mit Musik zu umgeben, so ist Musik der einzige Faktor, der dem Film in deutlichster Weise eine Atmosphäre gibt. Von diesem Gesichtspunkt bin ich ausgegangen, als ich meine stummen Filme gemacht habe; da war von vornherein der Charakter der Musik gegeben. In den Filmen »An der schönen, blauen Donau« und »Das tanzende Wien« habe ich Wiener Volksmelodien gesammelt, den Film »Die Weber« habe ich auf das revolutionäre Dreißiger-Lied gestellt, »Die lachende Grille« auf Chopin, usw. Selbstverständlich war ich darauf angewiesen, daß der Kapellmeister des Theaters, in dem der stumme Film aufgeführt wurde, auch die richtige Musik verwendet; hat er es in vorgeschriebener Weise getan und nicht eigenmächtig oder aus Mangel an Notenmaterial die Vorschrift verändert, dann hat das stets zum Erfolg des Films beigetragen.
Heute, wo wir die Musik vollständig in der Hand haben, ist die Musik gleichzeitig ein größerer Behelf bei der Inszenierung. Ich habe in der »Försterchristl« versucht, Mozartsche Musik heranzuziehen und habe jetzt im »Walzerparadies« Wiener Melodien meines Freundes Bruno Granichstädten mit der Handlung zu verweben gesucht. Da Komponist und Autor in der Person Bruno Granichstädtens vereint waren, ist auch das Resultat einheitlich. Nach meinem Experiment möchte ich die Musik im Film, sei es als Begleitmusik gewisser Szenen, sei es als orchestrale Begleitung von Liedern - auch wenn es für den Moment unnatürlich erscheinen mag - nicht missen.
Ich verfolge die Films, die ich mache, stets in mehreren Theatern und studiere die Wirkung auf das Publikum. Hier sammle ich Erfahrungen für meine nächsten Arbeiten und ich brenne schon darauf, den Film »Walzerparadies« vor dem Publikum zu sehen. Experimente können besonders in der heutigen Zeit nie auf Kosten des Fabrikanten und noch weniger auf Kosten des Theaterbesitzers gemacht werden. Deshalb muß man Schritt für Schritt die Entwicklung verfolgen, und ich glaube bestimmt annehmen zu können, daß Deutschland in der Behandlung der musikalischen Frage sehr bald tonangebend sein wird in der Welt-Filmindustrie. Überall, wohin ich außerhalb der Grenzen Deutschlands gekommen bin, habe ich mit Freude konstatieren können, daß man - mag man sich zu stellen, wie man will - eins immer anerkannt hat - und das ist die deutsche Musik. »Made in Germany« ist in diesem Falle stets eine kaufmännische Empfehlung für das Publikum gewesen und die deutsche Oper und die deutsche Operette ist überall als ein Spezifikum anerkannt worden, das nachzuahmen wohl schwer ist. Ich hoffe und wünsche, daß der deutsche Film durch Musik seinen Welterfolg findet, denn Musik ist und bleibt die Sprache der ganzen Welt!
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