Als die Bilder singen lernten. Materialien zum 11. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 5. - 8. November 1998.

Tonfilmschlager reorganisiert den Musikhandel!

Tonfilmlieder, Tonfilmschallplatten bevorzugt

von K.F.

in: Film und Ton (Wochenbeiblatt der Licht-Bildbühne), 22.3.1930


Wir haben einen bekannten Berliner Musikalienhändler gebeten, uns seine Erfahrungen mit den Tonfilmkompositionen mitzuteilen. Die Äußerungen dieses Fachmannes dürften hohes Interesse finden.

Mit meinen zahllosen Branche-Kollegen teile ich das Los einer durch die Geschäftslage begründeten Voreingenommenheit gegen den Tonfilm. Die starke Minderung am Absatz der Musiknoten, der schlechte Umsatz an Musikinstrumenten, dürfte eine genügende Motivierung für diese Voreingenommenheit sein. Doch spielen hier wohl auch Gründe mit, die in der Verringerung der Besetzung innerhalb der Unterhaltungslokale verankert sind und die wirtschaftliche Deroute überhaupt. Diese Voreingenommenheit gegen die so gewaltig steigende Produktion von Tonfilmen soll mich jedoch nicht hindern, Ihre Fragen sachlich und ehrlich zu beantworten. Insbesondere scheinen Sie Wert darauf zu legen, zu erfahren, ob irgendeine Auswirkung des Tonfilms auf den Umsatz und auf die Nachfrage nach den im Tonfilm verwendeten Musikstücken zu konstatieren ist. Ich kann nur sagen: Das Publikum verlangt heute in der Hauptsache Lieder aus Tonfilmen!

Sie brauchen nur einen Blick in die Schaufenster der Musikalienhandlungen zu werfen, um zu sehen, daß dort vornehmlich die Tonfilm-Schlager aushängen. Zwar hat die Produktion an Lied- und Tanz-Schlagern nur in geringem Maße nachgelassen, aber die Musikalienhändler haben wahrscheinlich bereits bemerkt, daß das Publikum in erster Linie die Tonfilmkompositionen bevorzugt! Man muß sich also bemühen, dieses Verlangen durch Aushang in den Schaufenstern zu fördern. Überhaupt scheint es mir, als würde unser Geschäft so lange im Zeichen des Tonfilms stehen, als der Tonfilm selbst Einzelnummern verwendet, die leicht singbar und tanzbar sind, wobei nur zu wünschen bleibt, daß die Komponisten dieser Lieder und Tänze das bisherige so ungemein tiefe Niveau des Tanzschlagers meiden. Es wird Sache des Produzenten sein, hier bestimmend mitzuwirken. Was an Tonfilm-Kompositionen bisher in den Handel kam, zeigt, daß es auch anders geht, und daß nicht nur die »Großmutter, die am Propeller hängt« und ähnlicher Stumpfsinn Erfolg hat.

In diesem Zusammenhang wird es Sie interessieren, daß auch das Schallplattengeschäft immer mehr und immer stärker vom Tonfilm abhängig wird!

Das Publikum kauft am liebsten und am häufigsten diejenigen Schallplatten, die es auch im Tonfilm hörte. Es muß nicht gerade der Riesenerfolg von »Sonny boy« als Beispiel angeführt werden, denn alle anderen auf Schallplatten aufgenommenen Tonfilm-Lieder gehen sämtlich besser, als die Aufnahmen von anderen, sogenannten freistehenden Musiknummern.

Interessanter dürfte es ferner sein, zu hören, daß die Tonfilmlieder, obgleich sie in der Hauptsache nur auf den Markenplatten aufgenommen werden, auch wieder nur oder doch zumeist als »Markenplatten« gewünscht werden. Die sogenannte »Kampfplatte«, die zu erheblich niedrigeren Preisen zu haben sind, will das Publikum aus dem einfachen Grunde nicht haben, weil auf ihnen die Sänger nicht zu hören sind, die das Tonfilmlied im Film gesungen hatten.

Diese Feststellung, die bestimmt auch meine Kollegen gemacht haben, dürfte für die Tonfilm-Industrie von Wert sein.

Wenn ich nun zu meinen Äußerungen auch noch Wünsche hinzufügen darf, so wäre es in erster Linie der, daß die Kinotheater bemüht sein sollten, die Musikalienhändler in ihrem schweren Existenzkampf ein wenig zu unterstützen! So wie die Sprechtheater, bzw. die Operettenbühnen in ihren Foyers Aushänge anbringen, so wie diese Bühnen auch durch Diapositive auf die in der Operette oder in der Revue verwendeten Musiknummern hinweisen, so könnten auch die Kinotheater die Popularität der Tonfilmschlager sehr fördern, wenn dem Publikum der Kinotheater Gelegenheit gegeben wird, von der Existenz und von der Kaufmöglichkeit der Klavierstimmen und der Schallplatten Kenntnis zu nehmen.


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